Bei meiner Arbeit „im Web“ bin ich immer wieder mit der Frage konfrontiert, wie ich meine Tätigkeit beschreiben soll. Eine offizielle Definition meiner Berufsbezeichnung habe ich bisher nicht gefunden. Der Benennung zum Trotz, so habe ich doch in den letzten Jahren festgestellt, dass die Tätigkeiten rund um die technische Entwicklung einer Webseite verschieden sind und es sinnvoll ist, die jeweils beteiligten Fähigkeiten zu klassifizieren. Das hilft bei der Suche nach einem passenden Auftragnehmer und Partner für ein Projekt, wie auch bei der Einstellung von Mitarbeitern in diesem Bereich oder der eigenen Einordnung. Dieser Beitrag beschreibt die 4-stufige Klassifizierung dieser Web-Fähigkeiten, wie ich sie in der Praxis häufig angetroffen habe.
Webdesigner
Die technische Entwicklung einer Webseite beginnt bei der Gestaltung. Das Webdesign oder einfach auch Layout wird meist von Leuten erstellt, die ein Gespühr für Gestaltung haben und „Photoshop können“. Beides allein ist schon nicht so selbstverständlich wie mancher glauben mag. Hinzu kommen eine ganze Menge webseitenspezifische Anforderungen wie etwa die Beachtung guter Usability, das Wissen um die Reaktion von Elementen im Browser oder spezifische Dinge wie das Verhalten auf mobilen Geräten und in Screenreadern für Blinde.
Schon aus diesen Gründen ist nicht garantiert, dass jemand der schöne und sinnvolle Plakate, Visitenkarten oder Flyer gestaltet auch ein funktionierendes Weblayout erstellen kann. Grundsätzliche Kenntnisse um den technischen Aufbau von Webseite, insbesondere HTML und CSS erscheinen mir unerlässlich, damit die Übergabe zur technischen Umsetzung nicht an der technischen Unmöglichkeit bzw. des zu hohen Aufwands für gestalterische Feinheiten scheitert.
Webdeveloper
Auf den Begriff des Webdevelopers bin ich erstmals gestoßen, als sich vor vielen Jahren ein Bekannter so bezeichnete, der sich größtenteils auf die Übertragung von Weblayouts in HTML und CSS spezialisierte. Daher führe ich diesen Begriff so fort, auch wenn er im Alltag mit dem des Webentwicklers oder Webprogrammierers vermischt wird. Auch der Unterschied zwischen dem deutschen und englischen Wikipedia-Artikel spricht Bände, wobei der erste zum Webdesigner weiterleitet, letzterer schon in die Richtung Programmierung geht.
Ich nutze den Begriff Webdeveloper traditionell für jene Webworker, die sich noch im optischen einer Webseite aufhalten und dafür sorgen, dass die Layouts „funktionieren“. Dazu gehört die schon genannte Umsetzung des Layouts in HTML und CSS, aber auch das browserspezifische Verhalten wie etwa in mobilen Geräten oder die Integration in Content-Management-Systeme. Ebenfalls sehe ich hier die Umsetzung einfacher Funktionalitäten mit Hilfe von JavaScript angesiedelt, z.B. Slider oder Menüeffekte. Damit lässt sich mittlerweile auch schon sehr viel erreichen.
Meiner Erfahrung nach reichen die Fähigkeiten eines Webdesigners und Webdevelopers zur Umsetzung „normaler“ Webpräsentationen vollständig aus. Das nicht zuletzt auch dank der Verbreitung und Weiterentwicklung von Content-Management-Systemen wie WordPress.
Webprogrammierer
Wer neben einem schönen und funktionalen Layout noch tiefergehende Funktionen benötigt, der sollte sich an jemanden mit den Fähigkeiten eines Webprogrammierers wenden. Im Webbereich erkennt man diese Personen daran, dass sie PHP, Ruby on Rails oder Python nicht nur buchstabieren, sondern auch anwenden können. Ihr benötigt einen Webprogrammierer, wenn eure Seite kryptische Fehlermeldungen ausgibt, euer Content-Management-System im Backend nicht ganz euren Anforderungen entspricht oder für viele Aufgaben, die Informationen dauerhaft speichern oder wiederkehrend verarbeiten.
Webprogrammierer geraten ab und zu mit Designern aneinander. Das liegt meist einfach daran, dass ihnen Gestaltung nicht immer so wichtig ist wie Funktionalität. Doch wer sieht schon die Zeitersparnis eines besonders „schönen“ Algorithmus (die sich meist nur in Millisekunden messen lässt) oder die besonders vorbildliche Einhaltung von sogenannten „Coding Standards“? Die meisten Leute sind doch eher visuell und daher merken viele die Arbeit eines Webprogrammierers nur, wenn eben so eine hässliche Fehlermeldung erscheint.
Kleiner Tipp: Ab und zu einfach mal loben und so bei Laune halten.
Server-Admin
Kommen wir zu den Typen, ohne die das Internet gar nicht möglich wäre, die bei Webprojekten, Shared Hosting sei Dank, aber zu häufig als selbstverständlich angesehen werden. Der Server-Admin(istrator) kümmert sich darum, dass unsere schöne und funktionsreiche Webseite auch irgendwo gespeichert und für Besucher erreichbar ist. Die Stunde des Server-Admins schlägt, wenn die Webseite noch viel kryptischere Nachrichten ausgibt, wenn sie langsam oder zu groß wird, um mit den gegebenen Ressourcen zu funktionieren.
Wenn es für Webprogrammierer schon schwer ist positiv wahrgenommen zu werden, so haben es Server-Admins noch um ein vielfaches schwerer. Webprogrammierer schauen sich ihren Quellcode an und erahnen, was dann passieren sollte. Server-Admins verzichten meist auf optische Tools und wissen dank der Shell trotzdem, wohin die Reise geht.
Alle in einem?
Ich bin bisher noch niemandem begegnet, der alle vier Rollen kompetent in sich vereint hat. Dazu gibt es einfach zu viele Dinge, die jede Spezialisierung mit sich bringt. So ist auch das Webdesign nicht weniger kompliziert als die Administration eines Servers, nur weil wir denken, es mit unseren Augen „verstehen“ zu können.
Praktisch hängt es häufig von der Größe des Teams ab, wie sich die Aufgabenbereiche verteilen. In kleinen Teams und bei Selbstständigen macht dann der Webdeveloper noch das Layout und programmiert kleine Funktionen.
Auch der Werdegang dieser einzelnen Rollen ist bei keiner stringent. Ich kenne in jedem Bereich mehr Autodidakten als explizit studierte oder gelernte Fachkräfte, die dennoch in ihren Fähigkeiten um nichts nachstehen. Ich selbst bin ja auch nicht als Webprogrammierer geboren worden.
Die genannte Trennung entspricht meiner subjektiven Wahrnehmung in der Webbranche. Sowohl der Begriffe als auch der Definitionen gibt es viele. Der eine mag es als Berufsbezeichnungen, der andere als Fähigkeiten oder Rollen verstehen. Das verwirrt natürlich nicht zuletzt die Kunden von Agenturen und Freelancern bei der Frage, wen sie eigentlich benötigen.
Wie ordnet ihr euch ein und mit welcher Bezeichnung präsentiert euch euren Kunden? Ist ihnen damit immer klar, was ihr „könnt“? Ich freue mich auf eure Kommentare.