Das Problem haben die meisten Selbstständigen und Unternehmen die komplexere Projekte realisieren. Wie schätze ich den Aufwand vorher richtig ein und bin daher weder zu billig noch zu teuer? Ich habe mich bisher selten verkalkuliert. In diesem Artikel beschreibe ich die Grundprinzipien, die mich bisher davor bewahrt haben.
Kunde: Ich brauche einen Online-Shop. Können Sie mir sagen, was das kostet?
Den Preis schon früh realistisch halten
Solche und ähnliche Anfragen erhalten Selbstständige in regelmäßigem Abstand. Da ein Online-Shop auch in Magento nicht von der Stange kommt, gilt es zunächst genau zu erfragen, was der Kunde eigentlich möchte. Meist geht es ihm um eine allgemeine Orientierung für eine mögliche Investition. Ich vermute, dass hier gerade neue Gründer schon früh beginnen, mit einem geringen Ansatz um den Kunden zu werben. Wer hier aber einen zu geringen Ankerwert setzt, fühlt sich später daran gebunden und setzt damit den ersten Schritt in Richtung eines viel zu gering kalkulierten Projektes.
Hier hilft mir mittlerweile meine Erfahrung bei der Umsetzung von Online-Shops und WordPress-Seiten. Ich kann für „normale“ Webseiten schon durchaus schnell realistische Preise nennen die auch einen unerwarteten Mehraufwand abdecken. In jedem Fall versuche ich nicht (mehr), den Kunden durch einen „das-geht-sicher-schon-für“-Preis an mich zu binden. Denn ein Kunde der für eine ordentliche Webseite nicht ordentlich bezahlen will wird später noch für ordentlich Diskussion sorgen.
Regel 1: Wenn der Kunde nicht locker lässt und unbedingt einen Preis für ein unbekanntes Projekt genannt haben möchte, dann setze ich eher zu hoch als zu niedrig an.
Klare Zieldefinition
Kommt es nun zu ernsthaften Verhandlungen mit einem Kunden, dann arbeite ich mich intensiver in dessen Anforderungen ein. Das Problem das ich häufig habe ist, dass der Kunde selbst kaum klare Vorstellungen von den Zielen hat. Er möchte eine funktionierende Webseite oder einen Online-Shop, aber wenn es um zentrale Punkte wie mobile Version, Einpflege von Texten, Hosting oder Suchmaschinenoptimierung geht, hört seine Vorstellung auf.
In diesem Fall gibt es zwei Möglichkeiten:
- die gemeinsame Zieldefinition als Teil des Projektes
- ein detailliertes Angebot
Zieldefinition als Teil des Projektes
Wie schön wäre es, wenn man einem unbeholfenen Kunden quasi als Beratungsleistung dabei unterstützen kann, das Ziel eines Projektes gemeinsam zu definieren. Das ist mir zugegeben bisher noch nicht passiert. Aber den meisten Kunden fehlt jemand, der sich auf seiner Seite wirklich intensiv um das Projekt kümmert. Entscheidungen werden dann oft zwischen Tür und Angel oder gar nicht getroffen. Oder wie ich es gerade erlebe, schiebt der Kunde Entscheidungen dann auf mich. Beratung wird selten im Vorfeld eingeholt, was häufig zu Mehraufwand führt, der immer teurer ist als eine vorherige Planung.
Kommunikation ist übrigens ein (ge)wichtiger Zeitfaktor und je größer, desto weniger der Kunde sich selbst auskennt und sein Projekt komplex ist. Hier plane ich immer mindestens 20% ein und die Realität gibt mir Recht. Denn auch die Kunden, die vorher keine Beratung wünschen, werden während der Ausführung immer wieder Diskussionsbedarf haben. Sobald ich aber ein Angebot abgebe und am Ziel des Kunden arbeite, kann ich auch die Kommunikation abrechnen bzw. sollte sie im Projekt kalkuliert haben.
Regel 2: Plane einen deutlichen Anteil für reine Kommunikation ein.
Das Angebot genau definieren
Wenn ich die Zeit für ein Projekt mit einem festen Budget falsch kalkuliere, hat das für beide Seiten Nachteile. Liege ich zu tief, erhält der Kunde neben einem geringen Preis auch einen wenig engagierten und interessierten Programmierer. Wenn ich zu hoch kalkuliere, verliert der Kunde vielleicht das Interesse an einem guten Programmierer und natürlich ärgere ich mich vielleicht über eine interessante Aufgabe. Da die Wünsche des Kunden häufig unendlich sind und ich bisher für ganze Webseitenprojekte NIE ein Pflichtenheft erhalten habe, wird mein Angebot zu einem solchen. Je größer das Projekt und je geringer die Erfahrung mit dem jeweiligen Kunden, desto ausführlicher wird mein Angebot. Darin gebe ich so konkrete Angaben wie möglich an und versuche schwammige Formulierungen zu vermeiden. Wenn der Kunde dann später weitere Wünsche hat, kann er diese gerne in einem Nachtragsangebot wiederfinden. Für Webprogrammierer ganz wichtig ist z.B. die Angabe der Browser, in denen das Layout getestet wurde oder die Programmiersprache mit der Formularfelder validiert werden. Ebenfalls definiere ich genau, was der Kunde bis wann liefern muss, damit die gewünschte Deadline gehalten werden kann.
So ein komplexes Angebot benötigt seine Zeit. Wie viel Zeit ich pro Angebot verwende hängt von den schon genannten Faktoren der Auftragsgröße und der bisherigen Arbeit mit dem Kunden zusammen. Ebenfalls versuche ich vorher herauszubekommen, wie sicher mir der Auftrag ist. Wenn ich das Gefühl habe, dass hier erstmal eine Vielzahl an Angeboten eingeholt wird um dann den billigsten zu nehmen, halte ich bei komplexen Projekten eher Abstand. Für einen Magento-Onlineshop eines mir eher unbekannten Kunden würde ich einen Tag Arbeit einplanen, wenn ich mir des Auftrags sehr sicher bin.
Regel 3: Schreibe das Angebot so detailliert wie möglich.
Projekte nach Aufwand abrechnen
Auf der anderen Seite einer klaren Zieldefinition oder der vorherigen Beratung des Kunden steht die Abrechnung des Projektes nach Aufwand. Hier bezahlt der Kunde nur die Zeit, die ich wirklich an seinem Projekt gesessen habe. Früher dachte ich, dass das die für mich beste Möglichkeit ist. Ich habe einen geringeren Zeitdruck und kann mich um die Belange des Kunden mit dem bestmöglichen Ergebnis kümmern. Natürlich wird aber auch hier vorher eine grobe Kalkulation gemacht und laufende Kommunikation über die Meilensteine sichern, dass es nicht aus dem Ruder läuft.
Ich habe jedoch einige Kunden, die vor einem Projekt ein fixes Angebot verlangen. Nachdem ich dieses nach den hier genannten Regeln erstellt habe ist es für beide Seiten fix. Durch meine großzügige Planung gehen die meisten dieser fixen Projekte positiv aus, d.h. mein kalkulatorischer Stundensatz ist höher als bei einer Abrechnung nach Aufwand. Dem Kunden ist das meist egal, weil er seine Entscheidung nicht anhand meines Stundensatzes fällt, sondern wie viel ihm die Lösung seines Problems wert ist.
Dennoch ist ein Projekt mit Abrechnung nach Aufwand bei guter Kommunikation meist erfolgreicher und macht beiden Seiten mehr Spaß, weil ich meine Erfahrung auch in anderen Bereichen einbringen und den Kunden beratend unterstützen kann.
Regel 4: Suche Projekte, die du nach realem Aufwand abrechnen kannst.
Dem Gefühl folgen
Die Regel, die mir bisher am meisten geholfen hat, ist eine sehr individuelle. Ich folge bei der Kalkulation auch mal meinem Gefühl. Letztendlich ist das nicht mehr als der unbewusste Ruf meines Erfahrungsschatzes. Wenn ich beim Blick auf eine Deadline, einen Kostenrahmen oder ein erstelltes Angebot ein komisches Gefühl im Bauch bekomme, schlage ich etwas mehr auf den Endpreis drauf – so lange, bis das Gefühl weg geht. Das sind auch mal 50% und mehr. Oder ein Projekt wird dann ganz sausen gelassen.
Diese Regel ist die zuverlässigste, wenn sie nicht eingehalten wird. Dann ist nämlich bisher immer etwas schief gegangen und Zeitplan oder Budget gingen für mich nicht auf.
Regel 5: Höre auf dein Gefühl.
Das sind meine 5 Regeln eines erfolgreich kalkulierten Projektes. Die gelten natürlich nicht nur für mich und nicht nur für Selbstständige. Welche Erfahrungen habt ihr bei der Kalkulation von Projekten gemacht. Habt ihr eigene Regeln, die hier bisher unberücksichtigt blieben? Helft mir und anderen und teilt sie in den Kommentaren.