Passives Einkommen und passive Investments

Ich tausche mich seit knapp einem Jahr in einer Mastermind-Gruppe mit anderen Unternehmern und Unternehmer-nahen Personen zu verschiedenen Themen aus. Heute haben wir über passives Einkommen und passive Investments gesprochen. Ich führe hier ein paar Punkte aus dem Gespräch und weitere Gedanken von mir auf die sicher einige Leser interessieren werden.

Der Traum vom Passiven Einkommen

Unter “Passives Einkommen” verstehe ich ein regelmäßiges Einkommen für das man nicht aktiv etwas tut oder tun muss. Im Gegensatz dazu gehen viele von uns täglich zur Arbeit (oder arbeiten in Corona-Zeiten zu Hause) und erhalten als Ausgleich für ihre Zeit einen Lohn, stellen Arbeitsstunden in Rechnung oder steigern den Wert ihrer eigenen Projekte oder Unternehmen.

Wie schön wäre es, wenn wir auf das Zur-Arbeit-Gehen verzichten könnten und der Paycheck kommt trotzdem? Kein Wunder, dass die Idee vom Passiven Einkommen so populär ist.

Passives Einkommen ist nicht unbedingt gleichzusetzen mit dem Bedingungslosen Grundeinkommen. Aus meiner Sicht besteht der Unterschied darin, dass beim Passiven Einkommen schon eine Art Vorleistung oder Vorbedingung gegeben ist. Genau hier liegt auch der Hund begraben.

Kein Passives Einkommen ohne aktive Vorarbeit

In meiner Gruppe haben wir verschiedene bekannte Formen passiver Einkommen durchgesprochen.

Das Problem an dem ganzen Thema ist, dass Contentproduzenten und Produktevertreiber die den Traum von einem passiven Einkommen verkaufen, es sehr einfach aussehen lassen dieses Ziel zu erreichen. Dabei handelt es sich hier einfach nur um eine Vorverlagerung der Arbeit mit dem Ziel, später die Früchte zu ernten. Das muss aus meiner Sicht nicht einfacher sein als täglich seinem festen Job nachzugehen und “am Ende” in Rente zu gehen.

Unser Gespräch begann mit Tantiemen, Lizenzgebühren und (Marken)Rechten für deren Nutzung regelmäßig Geld auf das eigene Konto eingeht.

Gehen wir einmal davon aus, die Einforderung der Gelder ist durch öffentliche Einrichtungen wie die GEMA im Falle von Urheberrechten von Musik oder Langzeitverträge wie etwa Patentverwertung gesichert und das Geld kommt wirklich ohne Zutun auf unser Konto.

Dennoch, muss für alle diese Einkommensströme eine gewisse Vorleistung oder Vorbedingung vorliegen. Zu einem bestimmten Zeitpunkt müssen wir die Forschung für das verwertete Patent erbracht haben, das Buch das sich wie von selbst verkauft musste geschrieben und natürlich auch der Nummer-Eins-Hit gelandet werden.

Worin besteht nun der Unterschied im Aufbau eines Unternehmens mit dem Ziel, sich einmal aus dem operativen Geschäft zurückzuziehen?

Diese Frage habe ich gestellt und wir wurden uns schnell einig, dass es keinen Unterschied gibt. Ob ich ein Buch schreibe oder eine Firma gründe, ich muss gerade zu Beginn sehr stark in Vorleistung gehen und der Ausgang ist ungewiss.

Semi-Passives Einkommen

Sowohl im Falle des eigenen Unternehmens als auch des Veröffentlichens eines Weltbestsellers sieht die Realität in den meisten Fällen so aus, dass die Arbeit nach dem ersten Kraftakt gerade erst beginnt. Ein Buch verkauft sich selten von allein und ein Gründer muss schon viel Erfahrung haben um sich schnell zurückziehen zu können ohne das Unternehmen zu gefährden.

Das gleiche lässt sich auch auf den digitalen Klassiker für passives Einkommen beziehen: den Aufbau einer Webseite.

Es genügt eben nicht sich einfach mal den angepriesenen Online-Kurs zu kaufen und die Schritte zu befolgen um jahrzehntelang gutes Geld zu verdienen. Selbst wenn der erste Erfolg gefeiert wird so müssen Angebote und Technik der Webseite ständig aktualisiert werden. Wer das schnell und ohne notwendige Kontrolle auslagern kann den möchte ich bitten mir sein Erfolgsgeheimnis zuzuschicken.

Ich würde viele solcher Projekte daher eher als Semi-passives Einkommen bezeichnen. Vieles lässt sich sicherlich mit ein paar Stunden Aufwand in der Woche am Laufen halten (Stichwort Die 4-Stunden-Woche) aber komplette Passivität ist schwer zu erreichen.

Passive Investments

Meine erste Assoziation beim Thema Passives Einkommen war, auch die Phase des Aufbaus zu überspringen und in bereits funktionierende Unternehmungen und Projekte zu investieren.

Ausgehend von unserem Beispiel, würde ich also die Rechte an einem bereits erfolgreichen Buch erwerben oder eine Firma samt Leitung übernehmen. Aus der Runde kam ebenfalls der Gedanke an Kunstgegenstände.

Kunst ist ein gutes Beispiel. Sieht erstmal richtig passiv aus so ein Bild an der Wand oder eine Statue im Tresor zu haben. Doch auch hier steckt sehr viel Vorarbeit in der Auswahl des zu erwerbenden Gutes. Um die Chancen für die Zukunft auszuloten benötigt es zudem eine Menge Fachwissen und Erfahrung. Selbst ich als jemand der sich bereits mit vielen Online-Businessmodellen befasst hat würde eine Weile brauchen um nur ansatzweise den Wert eines entsprechenden Unternehmens bewerten zu können.

Selbst dann kann ich nicht sagen, ob dieser Wert aufrecht zu erhalten ist. Praktisch ist das wie aktives Investieren in Aktien. Nur ein Bruchteil der Fondsmanager sind langfristig erfolgreich – und die machen das im Vergleich zu mir jeden Tag.

Ab wann rentiert sich das Investment?

Ich möchte auch auf die Frage nach der Laufzeit von Investments eingehen. Wie lange benötige ich, damit sich ein gekauftes Projekt inklusive aller einmaligen und laufenden Kosten refinanziert?

Bei Webseiten liegt eine typische Bewertung beim 3 bis 5-fachen des Jahresgewinnes. Das wären 20% bis 33% Rendite pro Jahr. Das ist im Vergleich zu anderen Investments schon sehr gut. Vorausgesetzt natürlich, dass das Projekt nach dem Kauf so weiter läuft.

Ich bin bei meinen eigenen Recherchen nach entsprechenden Deals auf ein häufig wiederkehrendes Missverständnis gestoßen welches ich gerne als Beispiel für versteckte Risiken teile.

Bei der Berechnung des Kaufpreises anhand der Bewertung wird häufig die Entnahmen des Betreibers mit in den Gewinn einbezogen. Wenn ich hier als Investor einsteigen möchte, muss ich aber mindestens ein normales Gehalt zusätzlich in die Hand nehmen um die Arbeitsleistung des Betreibers zu kompensieren.

Ein Beispiel:

Eine Webseite hat einen Umsatz von 120.000 € / Jahr. Die laufenden Kosten für Server, externe Autoren und Freelancer sind mit 30.000 € / Jahr überschaubar. Der Gründer arbeitet Vollzeit an dem Projekt in allen Bereichen mit und zahlt sich dafür 60.000 € / Jahr aus.

Bei der üblichen Bewertung eines solchen Projektes werden die Kosten ohne den Gründer, also mit 90.000 € / Jahr, herangezogen. Mit einem guten Faktor von 5 ergibt das eine Bewertung von 450.000 € für das Projekt.

Handelt es sich jetzt um einen passiven Investor, so wird er das investierte Geld jedoch auch bei unverändertem Erfolg nicht schon in den nächsten 5 Jahren zurückverdient haben. Er muss ja, wenn er das Projekt für sich passiv betreibt, mindestens eine Person, wahrscheinlich aber mehrere, für die Arbeit bezahlen die vorher der Gründer gemacht hat. Damit benötigt er deutlich länger um sein Investment wieder reinzubekommen.

Dieses Beispiel mag nicht auf andere Branchen übertragbar sein. Es soll vielmehr animieren, bei solchen Deals genau hinzuschauen.

Zu den Investments die nicht immer ganz so passiv sind wie sie einem verkauft werden und die deutlich mehr Fachwissen und Kalkulation erfordern als häufig angenommen zähle ich übrigens auch Immobilien.

Wer das Geld bereits hat und in Branchen investieren möchte in denen die Amortisierung deutlich länger dauert der kann nach Ansicht meiner Austauschgruppe auch gleich in einen breit gestreuten ETF an der Börse investieren. Dieser wirft im Schnitt im Jahr 6% ab, verdoppelt sich also nach weniger als 16 Jahren. Das Auf und Ab an der Börse ist durchaus ähnlich der Gefühlsachterbahn bei einer direkten Unternehmensbeteiligung, vielleicht sogar geringer und statistisch gesehen weniger riskant.

Arbeiten und dann davon leben

Passives Einkommen wie oben beschrieben bedeutet praktisch erst zu arbeiten und dann von den Ergebnissen zu leben. Ist das nicht wie die Altersrente?

Praktisch ja, aber die Vertreter des Konzeptes des Passiven Einkommens wollen den Prozess beschleunigen und innerhalb kürzerer Zeit eine größere Wertschöpfung erzielen.

An dem Wunsch ist erstmal nichts auszusetzen und Glückwunsch, wer es erreicht. Häufig sind das die Berater und Produktverkäufer rund um das Thema.