Wenn ich überlege, wodurch ich neben der praktischen Erfahrung am besten auf das Gründerleben vorbereitet wurde, dann sind das nicht das Gelernte aus Schule oder Universität, sondern die Erfahrungen, die ich während meiner Arbeit in ehrenamtlichen Projekten gesammelt habe. In diesem Artikel gehe ich darauf ein, wie mir meine ehrenamtlichen Tätigkeiten geholfen haben und warum ich jedem Gründer emphehle, sich trotz begrenztem Zeitbudget zu engagieren.
Gleiche Voraussetzungen
Die ehrenamtliche Arbeit in Vereinen oder eigenen Projekten ähnelt sehr dem, was ich tagtäglich als Unternehmer tue. Dabei werden auch jeweils die gleichen Fähigkeiten gefordert. Daher hat mir meine Erfahrung aus der ehrenamtlichen Arbeit in vielen Fällen geholfen. Im konkreten sind das folgende Punkte.
Projektmanagement
Spätestens seit ich in der Schule begann, eigene Projekte und Veranstaltungen zu organisieren, wurde Projektmanagement zunehmend wichtig. Zu Schulzeiten habe ich mit anderen insgesamt drei Schulbälle organisiert. Jedes Mal war es eine erneute Herausforderung, alle Beteiligten zufrieden zu stellen, das Team zu koordinieren, die Inhalte zu planen oder die Preise festzulegen. Das ganze musste auch unternehmerisch geschehen, weil es keine Förderung gab und die Einnahmen später auch dazu dienten, andere Projekte in der Schülerselbstverwaltung zu unterstützen.
Im Studium habe ich gezielt Seminare in Projektmanagement besucht und wie die Stammleser von gruenderstory.de wissen ist das seither eines meiner Lieblingsthemen. Noch immer nutze ich dafür etwa mein Wissen über unvoreingenommenes Brainstorming, Mindmaps, Sortierung von Gedanken bis hin zum voll ausgestatteten Moderationskoffer, den ich noch habe. Zwischenzeitlich hatte ich mir sogar eine Zukunft als Projektberater vorgestellt. Wer weiß, vielleicht kommt das ja noch einmal.
Kommunikation im Team
Ob mit oder ohne Hierarchie. Kommunikation ist in jedem Team wichtig. Auch hierfür habe ich mich früh interessiert und das Wissen darum dann im Studium der Kommunikationswissenschaften mit Seminaren in Rhetorik oder Moderationstraining noch verfeinert. Den größten Nutzen ziehe ich daraus gerade bei meinem Engagement für den Greifswalder Umsonstladen. Nur weil keine Hierarchie definiert wird bedeutet das nicht, dass es sie nicht gibt. Neben Organisationshierarchien gibt es ja auch andere Formen, wie etwa die Wissenshierarchie.
Manchmal würde ich mir sogar Hierarchien wünschen um Entscheidungsprozesse zu beschleunigen. In vielen Vereinen hat dann auch der Vorstand entsprechende Rechte. Die Kommunikation wird noch dadurch erschwert, dass das Team sehr heterogen ist und etwa nicht alle E-Mails benutzen. Beste Voraussetzungen also, um etwas über Teams, soziale Prozesse oder Kommunikation zu lernen.
Im Unternehmen habe ich ein eher homogenes Team, was Alter, Vorerfahrung oder Technikaffinität angeht. Zudem lässt sich das auch durch die Ausschreibungen oder Auswahl der Dienstleister leichter steuern. Wie ich kürzlich in einem sehr interessanten Buch gelesen habe, gibt es sogar große Unternehmen, in denen es erfolgreich vermieden wird, eine Organisationsstruktur und damit vordefinierte Hierarchien zu schaffen.
Leichter habe ich es im Unternehmen ebenfalls mit der Verteilung von Verantwortungsbereichen und der Durchsetzung von Arbeitsabläufen. So lassen sich Meilensteine und Projekte besser kontrollieren und erfolgreich umsetzen. Gerade in freiwilligen ehrenamtlichen Organisationen habe ich es oft erlebt, dass jeder „sein Ding“ machen will und sich einheitliche Standards schwer durchsetzen lassen. Darunter leiden sehr viele ehrenamtliche Projekte. Hier könnten Vereine durchaus von Unternehmen lernen.
Soziale Fähigkeiten
Zu Kommunikation und Team gehört ebenfalls, dass die Mithelfer in ehrenamtlichen Projekten oft diversifizierter sind als die Kollegen oder der eigene Freundeskreis. Daher muss man sich mit verschiedenen Charakteren auseinandersetzen. Das ist ein gutes Training für den Kundenkontakt. Ich habe festgestellt, dass sich die Zusammenarbeit mit schlechten Kunden viel leichter vermeiden lässt als die Zusammenarbeit mit anderen im Ehrenamt. Für Gründer, die wie ich gerade viel Zeit in den Aufbau ihres Unternehmens investieren ist es aber auch gut, über die ehrenamtliche Tätigkeit mal wieder mit „normalen“ Leuten zu tun zu haben 😉
Außenkommunikation
Ich habe den Antrag zum EXIST-Gründerstipendium in einer Rekordzeit von wenigen Wochen geschrieben. Den Grund dafür sehe ich weniger in dem überragenden Geschäftsmodell, sondern in meiner Erfahrung beim Schreiben von Anträgen für Förderungen und Stipendien. Im Grunde sind solche Anträge immer gleich. Am Ende gilt es den Leser davon zu überzeugen, dass das Team die Idee erfolgreich umsetzen kann.
Dazu gehören im Verein wie im Unternehmen auch Werbung und das Marketing. Ob es sich um eine Idee handelt, neue Mitglieder oder Teilnehmer für einen Workshop gesucht werden, auch bei der Öffentlichkeitsarbeit von Vereinen geht es darum, etwas zu verkaufen. Da in vielen Fällen auch für Angebote von Vereinen Kosten in Form von Teilnehmerbeiträgen anfallen, ist das nichts anderes, als wenn ein Unternehmen ein Produkt verkaufen will.
Spielwiese
Neben den Dingen, die ich bei meiner ehrenamtlichen Tätigkeit gelernt habe gibt es einige weitere Argumente für das Engagement im Ehrenamt. Neben dem reinen Lernen kommt noch das Ausprobieren hinzu. Neues zu testen ist im unternehmerischen Kontext immer mit direkten und/oder indirekten Kosten verbunden. Im Ehrenamt läuft es meist „nur“ auf Zeit hinaus.
Woher nehme ich die Zeit?
Eine wichtige Frage für ehrenamtliches Engagement ist natürlich die Zeit. Die wird nicht mehr und speist sich natürlich aus dem Teil, der einem nach der beruflichen Tätigkeit noch privat übrig bleibt. Da dieser Teil bei Unternehmern eh eher kleiner ist, gilt es die Möglichkeiten real abzuschätzen. Ohne die Einwilligung meiner Frau würde ich mich zum Beispiel aktuell nicht im Vorstand des Umsonstladens engagieren. Gleichzeitig ist es mir wichtig, dass alle Vereinsmitglieder meine berufliche Situation und deren zeitliche Einschränkungen kennen. Im Umsonstladen ist daher bekannt, dass ich mich nicht tagsüber an den Ladendiensten beteiligen kann, sondern mich eher an den Wochenenden und Abenden um Sitzungen kümmere, an Sonderaktionen teilnehme oder juristische und organisatorische Tätigkeiten erledigt für die ich glaube ein Händchen zu haben.
Auf der anderen Seite sollte gerade ehrenamtliches Engagement auch immer zur Erholung dienen. Hier kann man sich Dinge abholen, die im unternehmensalltag vielleicht auf der Strecke bleiben. Das können sehr unterschiedliche Sachen sein und ist bei mir auch mit einer ganzen Menge Idealismus verbunden.
Für mich ist ehrenamtliches Engagement immer wichtig gewesen und ich versuche, es trotz begrenzter Möglichkeiten weiter fortzuführen. Wie bei Nichtunternehmern auch, hat natürlich nicht jeder Interesse an solchem Engagement. Wer aber überlegt, sich trotzdem in Vereinen, Organisationen oder freien Projekten zu beteiligen, dem habe ich hier hoffentlich Motivation und einige hilfreiche Anregungen gegeben.