Die FIRE-Bewegung – die frühe finanzielle Freiheit

Ich bin dank eines Hinweises aus meinem Umfeld vor ein paar Monaten auf die FIRE-Bewegung aufmerksam geworden. FIRE steht für „Financial Independence, Retiring early“ und bedeutet deutlich vor dem offiziellen Rentenalter finanziell unabhängig von Erwerbsarbeit zu sein und sich dadurch praktisch in den Ruhestand zu verabschieden.

Als ich einem anderen Bekannten von mir davon erzählte meinte er nur, dass er es bisher nicht erwähnte, weil er dachte, dass ich das schon kenne. Die Elemente davon ähneln sich nämlich schon vielen Ansätzen, die ich als Unternehmer und in meinem persönlichen Leben verfolge, darunter eine durch Improvisation und Kreativität unterstützte Sparsamkeit und den Gedanken an ein etwas freieres berufliches Leben.

Im Zentrum dieser Bewegung steht der Blog von Mr. Money Mustache, der sich nach wenigen Berufsjahren im IT-Bereich zu seinem 30. Lebensjahr zur Ruhe gesetzt hat. Seither sind nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland viele Blogs, Foren und Veranstaltungen rund um dieses Thema entstanden.

Elemente der frühen Rente

Wer frühzeitig in Rente gehen will muss an zwei Stellschrauben feilen: ausreichend finanzielle Rücklagen oder ein automatisiertes Einkommen und möglichst geringe Lebenshaltungskosten. Man könnte nur an einer Stellschraube ansetzen und z.B. sehr viel Geld anhäufen, oder man setzt radikal bei den Ausgaben an. Über beides wird in der Community engagiert diskutiert.

Rein rechnerisch ist es laut FIRE möglich, sich bei einer Sparrate von 75% seines Nettoeinkommens nach 7 Jahren Arbeitsleben zur Ruhe zu setzen.

Ein beliebtes mathematisches Modell ist dabei die 4%-Regel, die aussagt, dass man sich zur Ruhe setzen kann, wenn man seinen Lebensunterhalt aus den Einnahmen von 4% seines Vermögens bestreiten kann. Habe ich also 500.000 €, so wären das 20.000 € die ich im Jahr ausgeben könnte. Dieses Modell geht davon aus, dass die 500.000 € in günstigen Aktien-Fonds (ETFs) angelegt ca. 6-7% Gewinn im Jahr abwerfen.

Was macht FIRE so interessant?

Das interessanteste an der frühen „Rente“ scheint für die meisten Menschen die frühe Unabhängigkeit von einem festen Job zu sein. Da schwingt das Versprechen durch, früh seinem Chef Auf-Wiedersehen sagen zu können.

Als Selbstständiger / Geschäftsführer meiner eigenen Firma ist das bei mir etwas anders. Die klassische Altersrente werde ich nicht erhalten. Ob ich vor oder nach meinem 67. Lebensjahr aufhöre zu arbeiten wird auch kaum jemanden interessieren. Das ist auch ok, da ich gerne arbeite und die Grenzen zwischen Hobby und Arbeit verschwimmen. Einen harten Schnitt kann ich mir da gar nicht vorstellen.

Dennoch muss ich zugeben, dass ich bei Gedanken an die vollkommene finanzielle Freiheit in der letzten Zeit schon überlegt habe, was ich anders machen würde, wenn Geldverdienen kein Thema mehr wäre. Dabei setzte ein ganzer Ideenschwall ein, bei dem die meisten gleich wieder auf ein nachhaltiges Business bezogen waren. Gründertum steckt doch einfach zu tief in mir drin.

Während sich die meisten Diskussionen im Netz um das Hauptthema der Geldvermehrung, den mathematischen Berechnungen dahinter und besten Anlagestrategien drehen, finde ich den Bereich der Ausgabenoptimierung spannender. Dabei geht es mir gar nicht um die Sparsamkeit an sich, aber den gerade von Mr. Money Mustache stark hervorgehobenen Ansatz von „Badassity“ und „Voluntary Hardship“. Ein erfülltes Leben besteht nicht darin, alles neu zu kaufen, sondern sich auf das zu besinnen, was wirklich wichtig ist. Zudem werden gerade Dienstleistungen nicht mehr eingekauft, sondern selbst erledigt, etwas Reparaturen am Auto oder im Haushalt. Das tägliche Lernen führt dabei dann automatisch zur persönlichen Erfüllung und Ablenkungen wie Urlaub oder umfangreiche Freizeitgestaltungen sind weniger wichtig.

Dieses Prinzip hat bei mir für viel mehr Aha-Momente gesorgt als die ganze Finanzmathematik. In den letzten Jahren ging es finanziell bei mir bergauf und damit hat sich auch ein Lebensstandard eingeschlichen, der, im Nachhinein betrachtet, wenig zum Wohlbefinden beigetragen hat. Im Gegenteil habe ich bei höherpreisigen Anschaffungen gemerkt, dass sie mich nicht nur nicht glücklicher machen, sondern mir auch eine Art Druck bescheren, nach dem Motte: „Eigentum verpflichtet“.

Ich habe zwar auch in der Vergangenheit Dinge selbst gefixt, aber jetzt mache ich das noch engagierter, belese mich auch bei komplizierten Dingen und probiere es dann einfach mal aus. Auch bei Neuanschaffungen bin ich wieder kritischer und hinterfrage, was ich wirklich brauche und ob sich etwas nicht durch günstigere oder bereits vorhandene Alternativen ersetzen lässt. Auch das hat wieder viel Kreativität freigesetzt die mich richtig glücklich macht.

Ein paar Beispiele gefällig?

  • ein ungenutztes Konto auflösen, welches monatlich 2,50€ gekostet hat
  • eine quietschende Diele mit Leimöl „gefixt“ (Genugtuung, so eine clevere Lösung gefunden zu haben)
  • Zelten statt Wohnwagen
  • ur-altes Zelt fixen statt ein neues zu kaufen (ging erstaunlich einfach)
  • Autobremsscheiben selbst wechseln (geplant)
  • Durchsicht bestehender Versicherungen, ob die Beiträge nicht zu besseren Konditionen selbst angelegt werden können

Kritik am FIRE-Konzept

Wie schon angedeutet, steht für viele beim FIRE die Finanzmathematik im Mittelpunkt. Wie bei allen Geldanlagen muss man auch hier herausfinden, was für ein Typ man ist und darf nicht blind Empfehlungen folgen. Innerhalb der Community wird teilweise sehr scharf diskutiert. Andererseits ist es auch spannend mal verschiedene Rechenbeispiele und -ansätze zu sehen, wie man sein Geld investieren kann.

Auf jeden Fall aufpassen muss man mit Rechenmodellen, die nicht für den deutschen Raum angepasst wurden. Hier ist Mr. Money Mustache leider nicht empfehlenswert. Das US-amerikanische Steuersystem weicht so weit vom deutschen ab, dass man sich noch bei hiesigen Quellen belesen sollte. Einige Blogs die ich gerade lese habe ich unten aufgeführt.

Von außen kommt am häufigsten das Argument, dass es bei FIRE darum geht auf ein gutes Lebens zu verzichten. Sei es die kleine Wohnung, statt großem Haus, das Fahrrad statt Zweitwagen oder sonstiger Konsum wenn man einfach Lust darauf hat. Kritiker sehen hier einen unglücklichmachenden Verzicht. Ich persönlich halte es für durchaus angebracht darüber nachzudenken, was man zum Glücklichsein braucht.

Ob mehr oder weniger „Zeug” spielt für mich auch keine Rolle bei der Bewertung der Gesamtidee. Wer mehr konsumieren möchte, der müsste einfach sein Vermögen und regelmäßiges Einkommen höher planen und gegebenenfalls länger dafür arbeiten. Einen netten Ansatz finde ich hier sich zu überlegen, wie viele Jahre man für wiederkehrende Ausgaben länger arbeiten müsste. Z.B., 1 Latte Macchiato á 4 € pro Arbeitstag ergibt bei 200 Tagen im Jahr auf 10 Jahre gerechnet eine Ausgabe von 8.000 €. Wie viel weniger müsstest du arbeiten, wenn du darauf für 30 Jahre verzichtest?

Ein weiterer Kritikpunkt an den Vorreitern dieser Idee ist, dass sie gar nicht wirklich in Rente sind. Die meisten verdienen mit Nebenbeiprojekten oder Werbeeinnahmen immer noch mehr Geld, als sie zur Deckung ihrer Lebenshaltungskosten benötigen. Hier wird dann von Außen kritisiert, dass sie ja gar keine „Rentner“ sind. Aber mal ehrlich: was ist das eigentlich?

Ich weiß schon jetzt, dass ich wohl immer irgendwelche „Projekte“ machen werde. So war ich immer und werde es wohl bleiben. Ob ich dafür Geld erhalte oder nicht ist dabei hinfällig. Viel wichtiger ist bei FIRE die Frage, ob ich gezwungen bin Geld zu verdienen oder ob ich das mache, weil ich Spaß an der Sache habe.

FIRE für Anregungen nutzen

Für mich ist FIRE im Kern nicht neu, doch hatte ich bisher nicht auf dem Schirm, dass es da schon eine Community gibt die sich mit Konzepten dieser Art befasst. Die Anregungen die ich hier erhalten habe werden mich noch lange beschäftigen. Vielleicht wird dazu auch noch der ein oder andere Blogbeitrag entstehen, sollte er zu gruenderstory.de passen.

Wer sich neben dem schon zitierten Mr. Money Mustache noch im deutschsprachigen Raum belesen will findet hier ein paar Links:

Diese Seiten lese ich gerade nach und nach vom letzten Beitrag bis zum erstem:

Auf meiner Leseliste stehen danach noch