Bootstrapping als typische Unternehmereigenschaft

In einer unternehmerischen Welt in der man häufig von großen Investitionen durch Venture Capital in neue Startups hört habe ich den Eindruck gewonnen, dass mein verlustaverser Ansatz des Bootstrappings außergewöhnlich ist. In einem Podcast von Tim Ferris höre ich dann neulich, dass sehr erfolgreiche Unternehmer ebenfalls risikoscheu sind. Anlass für mich, einmal darüber zu berichten, was Bootstrapping für mich bedeutet.

Was ist Bootstrapping?

Unter Bootstrapping versteht sich aus Sicht eines Gründers der Aufbau eines Unternehmens ohne Aufnahme externer Mittel. Im besten Fall wird das Wachstum aus dem bereits früh erwirtschafteten Umsatz finanziert.

Meine Bootstrapping-Biographie

Als ich 2010/11 begann in meiner Freizeit als Freelance-Programmierer zu arbeiten habe ich für ein tagsüber laufendes Projekt ein Gründungsstipendium bezogen. Damit musste ich nicht auf meine Ersparnisse zurückgreifen um die erste Durststrecke zu überwinden. Als das Stipendium auslief hatte ich ausreichend Kunden, um meinen bescheidenen Lebensstil zu finanzieren.

Nebenbei habe ich das schon 2009 entstandene Portal wort-suchen.de auf- und ausgebaut. Das ging sehr gut neben meiner Selbstständigkeit, die mich dafür ausreichend finanziell absicherte. Das zunehmend steigende Einkommen aus Onlinewerbung habe ich dann voll in das Projekt zurückinvestiert, größtenteils in freie Mitarbeiter.

Selbst als 2013/14 die ersten festangestellten Mitarbeiter hinzukamen habe ich mein Geld weiterhin mit Kundenaufträgen verdient. Seit Mitte des Jahres 2014 habe ich der Firma hinter der Seite meine eigenen Programmierleistungen für 20€ / Stunde in Rechnung gestellt und mich langsam von externen Kundenprojekten zurückgezogen.

In dieser Zeit hat die Webseite schon Überschuss erwirtschaftet und ich konnte die meisten Aufgaben an Kollegen abgeben. Ich selbst habe mich dann unserem Plugin für Anzeigenverwaltung gewidmet.

Als auch dieser Geschäftszweig Überschüsse erwirtschaftete habe ich meine Selbstständigkeit vollständig aufgegeben und ein regelmäßiges Einkommen, zunächst als Freelancer, dann als angestellter Geschäftsführer, von der Firma bezogen.

In den gesamten Jahren gab es immer mal Zeiten, in denen der Umsatz eines Monats die Kosten in der gleichen Periode nicht decken konnte. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir dann aber immer auch schon ein Polster aufgebaut und mussten uns daher nie verschulden.

Eine gesunde Verlustaversität

In oben verlinktem Podcast wird die Verlustaversität als eine zentrale Eigenschaft von Unternehmern genannt. Es ist also nicht das Alles-oder-nichts und Viel-Geld-reinbuttern, wie es so häufig in der Öffentlichkeit eher wahrgenommen wird. Als Beispiel wird Richard Branson genannt, der beim Start seiner Airline Virgin eine Rückgabe für seine Flugzeuge ausgehandelt hatte, für den Fall, dass sein neues Business nicht funktioniert.

Ich war nie wirklich erfolgreich, wenn ich  mal viel Geld in die Hand nahm um ein Problem zu lösen oder eine Dienstleistung gekauft habe die uns nach vorne bringen sollte. Stattdessen liegen mir kreative Lösungen die dazu führen, dass das Problem erst richtig analysiert und verstanden wird. Erst kürzlich habe ich in einem anderen Zusammenhang dazu den Begriff des „Voluntary Hardship“ gelernt, also dem sich freiwilligen Aussetzen von nicht ganz so einfachen Umständen. Das führt zum Lernen und Wachsen.

Ich habe bereits einige weitere Geschäftsideen, die ich mittlerweile entspannt aus dem angehäuften Polster – und noch wichtiger, der Erfahrung – aufbauen kann. Eine davon bewegt sich in einem Bereich, der traditionell eher kapitalintensiv ist. Nach und nach zerlege ich die notwendige Investitionssumme. Im besten Fall kann ich damit innerhalb weniger Monate schon alle Anfangsinvestitionen ausgleichen und einen Gewinn erwirtschaften.