Vor ein paar Wochen erhielt ich eine Anfrage von einem Leser meines Artikels über das EXIST Stipendium. Die Unternehmensidee des Lesers bestand darin, eine Web App zu entwickeln. Im Laufe unseres Gedankenaustausches habe ich viele Fragen beantwortet und Hinweise gegeben, die auch für andere Gründungswillige in diesem Bereich relevant sein könnten. Daher habe ich die zentralen Fragen und Antworten herausgeschrieben und teilweise für den Artikel noch ergänzt.
Kannst du mir einen Programmierer empfehlen?
Bei dem Leser handelte es sich um jemanden aus dem Bereich Business Administration. Er hat keinen Hintergrund im Bereich Programmierung und seine initiale Anfrage bestand darin, ob ich ihm für seine Web App einen Programmierer mit Erfahrungen in HTML 5, CSS und JavaScript empfehlen könnte.
Hier kann ich meine Antwort direkt zitieren:
Du wirst schon gemerkt haben, dass Programmierer gerade sehr rar sind. So geht es mir und meinen Kollegen. In Berlin ist alles zu spät und selbst mit Geld nicht immer was zu machen. Da empfiehlt es sich möglichst viele Veranstaltungen zu besuchen. Viele Stammtische sind kostenlos und da würde ich als Berliner auf der Suche nach Partnern immer hin.
Empfehlung: http://startupdigest.com/berlin/
Außerdem empfehle ich die Teilnahme an Gründerworkshops oder Startup Events. Hier kann man seine Idee vorstellen, Mitgründer suchen oder sich von erfahrenen Gründern einfach mal den Kopf waschen lassen.
Meine Tipps zur Web App Entwicklung
Ich habe selbst einmal den Fehler gemacht, statt eines einfachen Prototyps und einer darauf aufbauenden praktischen Marktrecherche auf eine komplexe Neuentwicklung zu setzen. Geblieben ist mir die Erfahrung aus einem zweijährigen Versuch, einen viel zu überdimensionierten und am Markt vorbeigedachten Dienst anzubieten.
Web Apps sind kein Hexenwerk
Gerade Web Apps sind perfekt für einen einfachen Prototypen. Sie unterscheiden sich technisch kaum von „normalen“ Webseiten und können von den meisten Webprogrammierern erstellt werden. HTML5 halte ich für ein Buzz-Wort. Ich betreibe Web Apps ohne ein HTML5-Element und niemand sieht den Unterschied. Im Gegenteil, mit einigen wirklichen HTML5 Elementen würde ich die Lauffähigkeit der Anwendung in einigen Browsern verhindern und mir damit Besucher vergraulen.
Aus Sicht der Programmierung ist die Erstellung eines Prototyps für eine Web App weniger anspruchsvoll. Die Herausforderung liegt im Design. Aber das muss zunächst auch nicht perfekt sein. Dafür gibt es dann auch Mockup-Tools, die quasi ein Zusammenklicken der eigenen Seite ermöglichen. Manche Tools können sogar einfache Funktionen einbauen. Mit jQuery, einem der wichtigsten Frameworks für Web Apps, lassen sich normale Seiten fast automatisch in eine smartphonetaugliche Web App mit entsprechendem Layout umwandeln.
Ein Mockup wirkt Wunder
Auf der Startseite von http://jquerymobile.com/ gibt es sogar ein Tool, mit dem man seine mobile Web App selbst entwerfen kann. Heraus kommt dann ein sogenanntes Mockup, das ich schon für die Suche nach einem Programmierer empfehle. Zunächst hilft es nämlich dem Gründer, seine Idee zu durchdenken, weil ihm selbst noch viele Dinge einfallen, wenn er sie auf einem kleinen Bildschirm anordnen soll. Und das spart dann Zeit in der Kommunikation mit potentiellen Mitgründern, Programmierern, Grafikern oder Kunden. Als Programmierer bevorzuge ich auch Projekte, bei denen der Kunde schon mehrere Denkzyklen hinter sich hat und ich ihm nicht mehr alle Flausen austreiben muss 😉
Obwohl sich der Programmierprozess zumindest beim Prototypen mit einem Mockup verringern und vielleicht sogar zuverlässig outsourcen lässt, ist ein Programmierer im Team natürlich zu empfehlen. Siehe dazu meine Hinweise oben.
Ruby on Rails für Nichtprofis?
Dem Leser wurde das Programmier-Framework Ruby on Rails als Alternative zum fast klassischen PHP empfohlen mit dem Hinweis, dass es auch für Nichtprofis geeignet sei um eine Web App zu erstellen.
Wenn ich noch einmal ganz viel Zeit hätte oder mit dem Programmieren anfangen würde, dann würde ich Ruby on Rails wählen. Doch auch wenn es für seine Einfachheit gelobt wird bedeutet es nicht, dass man für Rails nicht programmieren können muss. Es handelt sich dabei nicht um ein Mockup-Tool oder Werkzeug wie Dramweaver, sondern um eine Erweiterung für die Programmiersprache Ruby, die man aber dennoch können sollte.
Ich persönlich habe mit dem Programmieren begonnen, weil ich meine Ideen und Projekte schnell und selbst umsetzen wollte. Doch mir lag das Programmieren auch und ich habe viel Zeit investiert. Einem Gründer, der sich eigentlich mehr um das Business oder einen anderen nicht-technischen Aspekt kümmern möchte, empfehle ich das nicht.
Bei der Wahl von Ruby on Rails ist aus meiner Sicht weiterhin zu beachten, dass es aktuell so gehypet wird, dass es hier noch schwieriger ist überhaupt einen Programmierer zu finden und diesen auch bezahlen zu können. Soll nicht heißen, dass man kein Glück haben kann.
Programmiererwechsel
Spätestens beim Wechsel des Programmierers fällt auf, ob die Wahl der Programmiersprache richtig war. Ruby on Rails bietet viele Standards, die die Übernahme eines Projektes durch einen anderen Programmierer erleichtern. Bei reinem PHP gibt es viele nicht vereinbare Vorlieben. Auch hier gibt es aber wieder Frameworks, die allerdings die Entscheidungsfreiheit für einen künftigen Programmierer erschwert. Gute Dokumentation und die Nutzung einer Versionskontrolle sind daher in jedem Fall wichtige Arbeitsgrundlagen.
Finanzierung meiner Web App
Hat meine Idee Potential für ein EXIST-Gründerstipendium?
Diese Frage kann natürlich nur der Projektträger des EXIST-Gründerstipendiums selbst beantworten, aber ich habe jetzt schon mehrfach gehört, dass die Anzahl der Stipendien aufgrund der hohen Nachfrage reduziert werden musste und die Kriterien deutlich härter geworden sind. Eine technologische Innovation ist jetzt Grundvoraussetzung und wird sehr streng geprüft. Die Technologie sollte also quasi am besten schon fertig sein. Die meisten Internetstartups sind aber kaum technologisch innovativ. Das macht sie nicht weniger wichtig, aber dann sind vielleicht die vielen privaten Geldgeber besser geeignet als ein EXIST-Gründerstipendium.
Hast du schon einmal Geld von einem Investor bekommen?
Ich habe viel Zeit bei der Suche nach einem Investor verloren. Einen ernsthaften Interessenten habe ich dann verloren, was aber gut war, weil sich das Team kurz danach aufgelöst hat. Es ist unglaublich was man anderes in der Zeit machen kann, in der man einen Investor sucht. Das sagte mir neulich auch ein Bekannter, der ein Dreivierteljahr nichts anderes gemacht hat, Erfolg hatte, aber dann aus dem Unternehmen ausgestiegen ist…
Soweit zu den grundsätzlichen Fragen. Wenn ihr selbst eine Web App erstellen und vermarkten wollt, mit dem Thema noch nicht so viel Erfahrung habt und meine Meinung zu einer Fragen lesen wollt, dann schreibt mir einfach einen Kommentar.
Hi Thomas
Danke für die wertvollen Hinweise und die Einblicke in deinen Erfahrungsschatz. Wir befinden uns in genau eben dieser Phase und ich denke, dass wir uns deine Hinweise zu Herzen nehmen wollen – bei vielen Punkten sind wir auf dem richtigen Weg – die für die Investorensuche werden wir aber wohl mal überdenken müssen 🙂
Viel Erfolg weiterhin!