Freelancer oder Agentur beauftragen?

Vor einem Jahr habe ich einen Beitrag zur Frage schrieben, ob man lieber als Freelancer oder Agentur arbeiten sollte. Ein Jahr später habe ich ausreichend eigene Erfahrungen gemacht, um es einmal umzudrehen und zu fragen, ob man als potentieller Kunde seine Leistungen lieber bei einem Freelancer oder einer Agentur beauftragen sollte. Wie immer hängt es natürlich von einigen Faktoren ab.

Agentur vs. Freelancer

Bevor ich mich der Argumentation widme, hier noch eine grobe Zusammenfassung was ich unter einer Agentur und einem Freelancer verstehe. Beide eint, dass sie Dienstleister sind.

Freelancer – einer für etwas

Ein Freelancer ist im meisten Fall eine einzelne Person. Für den ein oder anderen Auftrag kann er sicherlich auch andere Leute beauftragen, aber im Grunde steht er für sich selbst. Die meisten Freelancer haben Spezialisierungen. Als Programmierer konzentriere ich mich z.B. auf Magento Shopsysteme und WordPress und baue in beiden Systemen den Quellcode für Webseiten, erstelle aber nicht das Layout oder kümmere mich um Texte.

Neben mir als Webentwickler sind z.B. auch freie Übersetzer oder selbstständige Handwerker unter dem Begriff des Freelancers erfasst. Wer den neudeutschen Begriff nicht verwenden möchte, möge uns einfach als Selbstständige bezeichnen.

Agentur

Auch Agenturen können nur aus einer Person bestehen. Sie konzentrieren sich aber auf Aufträge, die mehrere Qualifikationen als die eines Einzelnen erfordern. Für mich besteht das wesentliche Merkmal aber darin, dass viele spezialisierte Tätigkeiten nicht mehr nur von einem erledigt werden. Die verschiedenen Qualifikationen können in der Agentur in Form von Mitarbeitern vorliegen oder über Freelancer eingekauft werden.

Als Webentwickler arbeite ich zum Beispiel häufig für Agenturen. Die kümmern sich dann darum, dass es auch ein Layout gibt, die Webseiten suchmaschinenoptimiert werden oder der Kunde geschult wird. Gerade deshalb wenden sich eher selten Endkunden an mich, weil ich auch nur die Leistungen bewerbe, die ich selbst umsetzen kann.

Die Übersetzungsagentur, die ich noch nebenbei betreibe, ist da ebenfalls ein Beispiel für. Während die meisten Agenturen selbst von Übersetzern geführt werden, konzentriere ich mich allein auf das Projektmanagement und lagere alle Aufträge an freie Übersetzer aus.

Auch größere Handwerksbetriebe könnte man als Agenturen verstehen, wenn nicht mehr alle nur das gleiche machen, sondern Aufgaben entsprechend der Kompetenzen verteilt werden. Das erfordert dann häufig, dass sich ein Mitarbeiter ausschließlich um das Projektmanagement kümmert.

Argumente für einen Freelancer

preiswert

Zwei Dinge treiben aus meiner Sicht die Kunden zu Freelancern. Das ist zum einen der Preis. Freelancer sind meist günstiger als Agenturen. Das liegt natürlich daran, dass sie niemanden für das Projektmanagement beschäftigen müssen und geringere Fixkosten haben. Ein weiterer Grund dafür ist meiner Erfahrung nach in einigen Branchen aber auch der gefühlte Druck für den Einzelnen, billig zu sein. Das hängt vom Markt und den eigenen Marketingfähigkeiten ab. Aber das ist ein anderes Thema.

direkter Kontakt

Ein weiteres Argument für einen Freelancer ist der direkte Kontakt. Manche Kunden möchten aus verschiedenen Gründen gleich mit jemandem sprechen, der ihnen praktisch helfen kann. Das ist je nach Komplexität eines Themas beim ersten Ansprechpartner einer Agentur nicht immer der Fall. Auch die gefühlte Nähe des Auftragnehmers zum Problem des Kunden ist ein Argument, nicht nach einer schönen Firma, sondern einem Freelancer mit Vor- und Zunamen zu suchen.

Argumente für eine Agentur

immer erreichbar

Während ich beim Freelancer die Nähe zum kompetenten Ansprechpartner betont habe, so kann auf Seiten der Agentur ein ähnliches Argument für sie sprechen. Vielleicht ist hier der einzelne Ansprechpartner nicht der fachlich kompetenteste, aber dafür besser erreichbar als die, die den ganzen Tag direkt in den Problemen hängen. Kundenkontakt und Betreuung ist auch eine Kunst für sich. Bei größeren Projekten ist es auch gut, wenn jemand darauf achtet, dass alle Beteiligten zusammenspielen.

Die meisten Endkunden unterschätzen dies und die Beauftragung und Koordination zwischen einem nicht eingespielten Team an Freelancern wird sehr schnell sehr aufwendig. Ein professioneller Projektmanager kümmert sich dagegen darum, dass verständlich formulierte Fragen den Kunden zur rechten Zeit erreichen und dieser stets im Bilde ist.

Den Punkt der Kompetenz bzw. Qualität möchte ich hier bewusst aussparen. Freelancer können natürlich nicht alles, dafür aber in dem Bereich, für den ich ihn gerade brauche, sehr kompetent sein. Agenturen nehmen dagegen das Screening von potentiellen Bewerbern ab und können über ihr Büro oder Netzwerk auf viele Kompetenzen zurückgreifen. Das spart mir als Auftraggeber Zeit und sogar Geld.

Wann passt ein Freelancer zum Kunden?

Nur weil ich als Kunde gerne einen möglichst günstigen Preis für meinen Auftrag bezahlen möchte und den direkten Kontakt zum Auftragnehmer schätze, muss ein Freelancer noch lange nicht die beste Wahl sein. Als freier Webentwickler lehne ich z.B. Aufträge ab, bei denen der Kunde gerne auch noch ein Layout und eine Beratung aus (m)einer Hand haben möchte. Auch berechtigte Anfragen wie „Ich brauche eine Webseite“ leite ich gleich an meine Agenturkollegen weiter. Ich habe einfach mehr Spaß daran, ein Problem zu knacken, als die grundlegenden Fragen zu beantworten.

Wenn ein Kunde genau sagen kann, was er möchte, die grundsätzlichen Fragen und das Layout geklärt sind, dann passe ich als spezialisierter Freelancer vielleicht zu ihm. Im letzten Jahr hatte ich ein Projekt, bei dem der Kunde seine Kompetenzen überschätzt hat und ich es zu spät erkannt habe. Es endete für mich mit viel Frust, weil der Kunde die notwendigen Informationen ewig nicht liefern konnte, aber an der Deadline festhielt und für den Kunden mit unnötigen Kosten, als er sich seine fehlende Zeit und Kompetenz eingestand und eine Agentur beauftragte, die dann aber komplett neu anfing.

Natürlich berate ich auch als Freelancer gerne bei der Umsetzung von Projekten mit mehr, als nur meinem Programmierwissen. Immerhin bin ich ja selbst auch Publisher und habe dabei doch einiges an Erfahrungen gesammelt. Doch meine Haupttätigkeit sollte dann immer noch in der technischen Umsetzung liegen.

Zusammenfassend sei also festgestellt:

(End)kunden sollten einen Freelancer beauftragen, wenn das Projekt bzw. die Anforderung überschaubar oder klar definierbar ist und sie sich selbst etwas mit der Materie auskennen und sicher sind, dass sie die umfangreichen Zuarbeiten wirklich leisten können.

Ob Webentwickler, Übersetzer oder Handwerker – mir scheint diese Aussage für alle zu passen. Das gilt natürlich für den Fall, dass der Kunde nicht selbst ein guter Projektmanager ist. Das habe ich auch schon erlebt, ist aber selten, gerade wenn die gewünschte Leistung nicht direkt die Einnahmen bringt. Dann haben die meisten Unternehmer anderes zu tun als sich um alle Detailfragen selbst zu kümmern.

Wann passt eine Agentur zum Kunden?

Die Argumentation für die Beauftragung einer Agentur lässt sich quasi aus dem oben geschriebenen herleiten. Eine Agentur ist darauf spezialisiert, sich mit unterschiedlichen Anforderungen auseinander zu setzen. Das beginnt schon bei der Frage, was der Kunde mit seiner Webseite eigentlich erreichen will. Ohne, dass es der Kunde merkt, werden für jede Aufgabe die richtigen Mitarbeiter herangezogen und alle Schnüre von einem Projektmanager in der Hand gehalten.

Ein professionelles Projektmanagement sollte nicht unterschätzt werden und fällt eigentlich überall an. Freelancer können diesen Overhead auf ein Minimum beschränken, wenn sie Kunden nicht umfangreich beraten müssen oder diese schon als Leistung abrechnen können. Bei Agenturen ist die Planung dagegen kein ungeliebtes Beiwerk, sondern explizite Kompetenz. Im Ergebnis kann sich der Kunde zurücklehnen oder anderen Dingen widmen. Als jemand, der sich viel mit Projektmanagement beschäftigt, weiß ich wovon ich rede.

Genau in diesem Ansatz sehe ich mich mit meiner Übersetzungsagentur. Zu meinen Kunden gehören meist Leute, die keine Zeit und Lust haben, lange nach freien Übersetzern zu suchen (die bei uns in der Region eh rar sind). Für die meisten Übersetzungsanfragen habe ich schon die passenden Kollegen, die sich über eine längere Zeit bewährt haben. Den Frust, die Guten von den Schlechten zu trennen, nehme ich dem Kunden ab. Das ist besonders bei unserem Spezialangebot für Speisekartenübersetzungen der Fall.

Auch hier eine Zusammenfassung für Agenturen:

Wer nicht genau weiß, wie sein Ergebnis aussehen soll, es mehrere Qualifikationen erfordert und man zu jeder Zeit gut informiert sein möchte, dann sollte man sich eine Agentur suchen.

Den richtigen Auftragnehmer finden

Mein Tipp: wenn ihr auf der Suche nach einem Auftragnehmer seid, der nicht unbedingt bei euch im Büro arbeiten soll, dann legt euch bei der Frage ob Freelancer oder Agentur richtig sind nicht gleich fest. Richtet euch eher danach, wie auf euer Problem eingegangen wird, denn am Ende sucht ihr ja eine Lösung für etwas. Ich habe mich da in den letzten Jahren auch sehr geöffnet.

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