Mein Studium liegt jetzt schon eine Weile zurück und ich stecke als Programmierer und Gründer tief in der Arbeit. Dennoch habe ich mich kürzlich für ein Praktikum beworben. Meine Gründe dafür können vielleicht jenen helfen, die gerade überlegen ob und wo sie ein Praktikum machen. Auch wenn ich das Thema nicht im Detail behandeln werde, gehe ich am Ende auch kurz auf die Praktikumskultur in Deutschland ein.
Ein Praktikum machen?
In den vergangenen Jahren meines Gründerlebenslaufes habe ich verschiedene Projekte begonnen. Einige davon tragen schon Früchte, andere beginnen gerade zu sprießen. Mit meiner neuen Firma webgilde möchte ich meine fachlichen Erfahrungen als WordPress-Programmierer und Publisher bündeln und ein neues Angebot im Bereich Softwareentwicklung aufbauen. Doch wie die meisten meiner Projekte habe ich auch das vorher noch nie gemacht. Um den Weg abzukürzen, bin ich immer auf der Suche nach Möglichkeiten, mir Wissen anzueignen und Expertise mit ins Boot zu holen.
Aus den ersten Gründerjahren weiß ich, dass die besten Hinweise nicht von Coaches und Consultern kommen, sondern von Mentoren und anderen Unternehmern. In dem Bereich der Softwareentwicklung, in dem ich aktiv werden möchte, gibt es bereits einige Unternehmen. Es handelt sich zwar vergleichsweise um eine Nische, aber in dieser gibt es schon einige erfahrene Größen. Also lag es für mich nahe, dort nach Mentoren zu suchen. Hierbei ging es mir nicht um das technische Wissen, über das ich meiner Ansicht nach bereits verfüge, sondern darum, ein gelebtes Vorbild zu haben. Damit meine ich genau das, was ich hier auf gruenderstory.de erreichen möchte, nämlich den Austausch der ganz alltäglichen Erfahrungen. Zudem möchte ich sehen, wie so ein Unternehmen tickt, wie die Kommunikation verläuft und wie sich die Menschen täglich motivieren. Kurz gesagt, ich möchte sehen, dass das, was ich vorhabe ganz real und kein Hexenwerk ist.
Ich merke schon häufig, dass der direkte Übergang vom Studium ins Gründerleben nicht nur positiv war und mir dadurch die Erfahrung der Mitarbeit in größeren Unternehmen fehlt. Der Grund, warum ich ein Praktikum machen wollte lag also nicht darin, dass ich irgendetwas unkonkretes lernen wollte. Vielmehr versprach ich mir konkretes Wissen. Ich könnte dadurch wahrscheinlich einige Fehler beim Unternehmensaufbau vermeiden und mehr Fokus gewinnen, weil die Vision klarer wäre. Das hätte die für das Praktikum aufgewendete Zeit sicherlich mehr als gerechtfertigt.
Wo ein Praktikum machen?
Die Anregung, diese scheinbar fixe Idee in die Tat umzusetzen, brachte das neue europäische Förderprogramm „Erasmus für Jungunternehmer„, von dem ich in einem Newsletter erfahren habe. Da ich bereits vor dem Studium einen Freiwilligendienst und im Studium ein Auslandssemester absolviert hatte, bin ich mit diesem Konzept recht gut vertraut. Unbewusst setzten sich nach der Lektüre der Bedingungen eine Reihe von Gedankengängen in Bewegung, denn es reizte mich das Reisen mit dem unternehmerischen Lernen zu verbinden.
Zwar wird Softwareentwicklung in meiner Nische in sehr ähnlicher Weise von vielen Unternehmern vorgenommen, aber eines davon hat mich in der Vergangenheit immer wieder positiv überrascht, gerade was die Außenkommunikation, also das Marketing, angeht. Daher war für mich sehr schnell klar, dass ich mich nur dort bewerben konnte um mein gewünschtes Ziel zu erreichen. Daneben hätte ein intensiver Kontakt vielleicht auch zu anderen Effekten geführt, wie der Kontakt zu wichtigen Leuten in der Branche oder langfristige Zusammenarbeit und ständiger Austausch.
Für ein Praktikum bewerben
Nachdem ich ein paar Nächte darüber geschlafen hatte und fast täglich die Vorstellung von dem Praktikum und eine Liste mit Fragen an die Gründer anwuchs, habe ich mich letztendlich beworben. Davor stand aber die intensive Recherche zum Unternehmen und seinen Mitarbeitern. Der erste Anlaufpunkt waren natürlich die Homepage, der Firmenblog und die Social Media Kanäle.
Bei meiner Recherche habe ich auch einiges mehr über die Branche gelernt, etwa die Zusammensetzungen der Kompetenzen im Team der Mitarbeiter. Das führte auch dazu, dass ich mich gleich noch mehr integriert fühlte, ohne mich schon beworben zu haben.
Schließlich erfolgte die „Praktikumsbewerbung“. Dazu habe ich das allgemeine Kontaktformular auf der Webseite genutzt, die Ansprache aber konkret an die Person gerichtet, mit der ich am Ende zusammenarbeiten wollte.
Mein Anschreiben enthielt eine kurze Vorstellung meiner Person mit den wichtigsten persönlichen Daten und ansonsten meine Erfahrungen, die mich mit dem Unternehmern verbanden. Den Schwerpunkt habe ich darauf gelegt, was ich möchte, nämlich eine zeitlich begrenzte Mitarbeit in einem bestimmten Bereich und was ich mir davon verspreche. Genannte Erfahrungen sollten zeigen, dass ich auch für das Unternehmen einen Mehrwert bieten und in die bereits laufenden Projekte integriert werden kann. Alles in allem habe ich mich aber sehr kurz gehalten, um die Chance auf eine Antwort zu erhöhen.
Die Antwort
Ich habe mich kurz vor meinem Urlaub, Anfang Juli, beworben. Nachdem nach ca. einer Woche keine Reaktion kam, habe ich auf dem gleichen Wege nur kurz angefragt, ob mein Schreiben angekommen sei. Darauf erhielt ich eine kurze Nachricht, dass mein Ansprechpartner für längere Zeit im Urlaub ist. Anfang August erhielt ich schließlich eine Antwort. Diese war leider negativ mit der Begründung, dass sie gerade mit dem Wachstum und Einarbeitung weiterer Mitarbeiter beschäftigt seien und mich daher nicht so betreuen könnten, wie ich es mir vorstellte. Es folgten noch ein paar Sätze, dass meine Bewerbung das kleine Unternehmen positiv überrascht hatte. Scheinbar war ich der erste, der diese Idee hatte.
Für diese ehrliche Antwort habe ich mich schließlich noch in einer kurzen E-Mail bedankt. Ich war froh, überhaupt eine Nachricht erhalten zu haben, was aber meine Idee, mich genau dort zu bewerben, bestätigt hat. Natürlich habe ich auch kurz darüber nachgedacht die Bedingungen meiner Bewerbung zu verändern und entweder weniger Betreuung zu wünschen oder eine längere Zeit fest dort zu arbeiten, um den Aufwand zu rechtfertigen. Doch damit hätte ich die aktuell positive Entwicklung meiner Projekte und Tätigkeiten gefährdet, was entgegengesetzt meiner eigentlichen Ziele gewesen wäre. Aus genau diesem Grund habe ich die Idee eines Praktikums auch jetzt noch nicht weiter verfolgt.
Geld für ein Praktikum?
Wie schon erwähnt, stecke ich eigentlich zeitlich und finanziell schon voll im Gründeralltag. Ein Praktikum hätte in beides Löcher gerissen. Das schon genannte Förderprogramm könnte das auch nicht ausgleichen. Geld war für mich aber von vornherein auch nicht der Anlass mich zu bewerben. Ich denke sogar, dass die gemachte Erfahrung mich dafür um ein Vielfaches entschädigt hätte.
Zeitlich wäre es da schon schwieriger geworden. Ich hätte keines meiner Kundenprojekte aufschieben wollen und wäre das Praktikum daher auch nicht sofort angetreten. Vielleicht hätte es mich sogar motiviert, einige Projekte noch schneller zu erledigen und mich nicht mehr in neuen Projekten zu verlieren.
Generation Praktikum
Als Gründer oder Unternehmer noch einmal ein Praktikum zu machen erscheint auf den ersten Blick etwas abwegig und gehört bestimmt nicht zum Gründeralltag. Ich hoffe aber meine Beweggründe ausreichend dargelegt zu haben. Wer, ob Gründer, Student oder in einer anderen Lebenssituation, ein Praktikum für den Gewinn von Erfahrungen und Wissen macht, entscheidet sich meiner Ansicht nach für einen guten Weg. Wer das richtige Praktikum wählt, der hat davon vielleicht sogar noch mehr. Wenn man seiner Selbstdarstellung glauben darf, so wäre der Gründer von StudiVZ ohne ein Praktikum nie zu diesem geworden.
Leider sind Praktikas aber mittlerweile unter dem Schlagwort „Generation Praktikum“ in Verruf geraten. Ich schaue mir immer wieder Jobangebote von Unternehmen in der Webbranche an, die ausschließlich Praktikas ausschreiben. Dabei weiß ich aber, dass gerade feste Mitarbeiter im technischen Bereich händeringend gesucht werden. So werde ich immer wieder von Headhuntern angeschrieben die Jobs bei Firmen belegen, bei denen man sich direkt nur auf ein Praktikum bewerben kann. Da steckt vielleicht etwas hinter, das ich noch nicht verstehe.
Für mich als Unternehmer gibt es zwei Gründe ein Praktikum auszuschreiben:
1. Ich habe Lust, mein Wissen mit jemandem zu teilen, der die gleiche Leidenschaft teilt. Dazu fehlt mir aber gerade die Zeit.
2. Als Vorstufe zu einer bezahlten Arbeit, wenn ich mich erst von der Qualifikation eines Bewerbers überzeugen will. Das halte ich gerade bei Bewerbern für gerechtfertigt, die noch nicht über ausreichend Erfahrungen verfügen. Hier habe ich schon das Argument gelesen, dass für diesen Zweck nicht ein Praktikum, sondern die 3-monatige Einarbeitungszeit gedacht sei. Das mag richtig sein, doch in der aktuellen Phase ist mir der Aufwand einer Anstellung einfach zu hoch. Ich wünsche mir aber, dass sich das in Zukunft ändern wird.
Jetzt seid ihr dran. Sucht ihr gerade ein Praktikum oder bietet ihr eines an? Warum? Ich freue mich über eure Kommentare.
Bildquellen
- Endlich in die Schule!: Mit freundlicher Unterstützung meiner Oma
Interessanter Artikel. Ich sehe es übrigens ebenso, dass zum testen eines potentiell festen Angestellten kein Praktikum, sondern die Probezeit dienen sollte, die immerhin bis auf zwei Jahre ausgedehnt werden kann. Aber da fallen natürlich ganz andere Lohnnebenkosten an. Bei einem Praktikanten (450Euro-Basis) lediglich 23% an die Bundesknappschaft.
Je nach dem, wie groß die Firma ist, kann eine feste Stelle auch dauerhaft mit ständig wechselnden Praktikanten besetzt werden. Mit allen Vor- und Nachteilen.
Vielleicht als Idee: Für einzelne Projekte bewerben und nicht als Praktikant.
Letzter Punkt: Habe vor einigen Wochen einen interessanten Artikel bei Spiegel online gelesen zum Thema „Selbständig und dann bewerben“. Da ist mir bei einem Satz fast das Gesicht rausgefallen. Könnte auch die Absage erklären: http://www.spiegel.de/karriere/berufsstart/aushilfsjobs-falle-fuer-akademiker-a-916284.html Mal gucken, ob du den Satz findest.
Viele Grüße
Der Absolventenring
Hallo Roland,
das mit dem Bewerben für ein Projekt ist eine sehr gute Idee. Der Artikel ist auch zum Lesen vorgemerkt.
Viele Grüße
Thomas
Auch wenn ich die Motivation nachvollziehen kann: Ich kann mich nicht so recht mit dem Gedanken anfreunden, nach abgeschlossenem Studium und im Berufsleben stehend ein Praktikum zu machen. Das klingt für mich auch unter der beschriebenen Konstellation nach „unter Wert verkaufen“. Bewerbung auf Projekte finde ich klasse, damit habe ich auch gute Erfahrungen gemacht.
Hallo Wolf,
richtig, für jemanden, der mitten im Berufsleben steht und sich dort schon bewährt hat, ist ein Praktikum auch nichts.
Viele Grüße
Thomas