Freelancer bleiben oder Agentur gründen?

Ich habe mich in den letzten Monaten viel mit den Unterschieden zwischen der Arbeit von Freelancern und Agenturen beschäftigt, weil ich aktuell auf beiden Seiten stehe. Es gibt für beide Vor- und Nachteile sowohl auf Anbieter- als auch auf Nachfrager-Seite. Dieser Artikel befasst sich mit meinen Gedanken rund um das Arbeiten als Freelancer vs. die Gründung einer Agentur.

Freier Webentwickler oder Webagentur

In meinem Fall geht es um die Frage, ob ich meine Selbstständigkeit als Programmierer erweitere und Mitarbeiter einstelle. Damit könnte ich nicht nur mehr Aufträge annehmen, sondern den ein oder anderen Bereich, wie etwa das Marketing, spezialisieren. Aus meiner Sicht bin ich schon eine Agentur, wenn ich Aufträge annehme, die ich nicht selbst ausführe. Damit sind die meisten Kollegen aus meinem Umfeld schonmal irgendwie „Agentur“ gewesen. Es geht also dabei nicht um die Rechtsform, sondern allein um die Arbeitsweise. Auf der anderen Seite kann ich weiterhin als Freeelancer mit einer hohen Spezialisierung im Bereich Magento und WordPress arbeiten

Was spricht für die Agenturgründung?

Wie schon erwähnt, spricht die pure Größe für die Agenturgründung. Damit einher gehen Professionlisierung von Teilaufgaben und die Breite des Angebotes. Ein Auftrag für eine Webseite kann dadurch vom Grundlayout, über die Programmierung bis hin zur Suchmaschinenoptimierung durchgeführt werden.

Arbeitgeber und Chef

Ganz klar, dass mit der Agenturgründung auch ein Rollenwechsel einher geht. Mit dem ersten Mitarbeiter bin ich als Geschäftsführer quasi dafür verantwortlich, dass dieser regelmäßig Arbeit erhält und sein Einkommen ausgezahlt wird. Das Selbstprogrammieren wird da schnell zur Nebensache.

Ich arbeite sehr gerne im Team. Jedoch muss das Team auch passen. Es kam leider auch schon vor, dass ich Leuten lange hinterherrennen musste, um etwa Arbeitsergebnisse zu erhalten. Aktuell habe ich einen externen Praktikanten, der seit Wochen meine E-Mails nicht beantwortet. Das rückt die Wichtigkeit der richtigen Personalentscheidung bei einer Agentur verstärkt in den Vordergrund. Also ein weiteres Feld, das sich zu den eigenen Kompetenzen addiert.

Heute hier, morgen dort

Als mein eigener Chef habe ich die Wahl, wo ich mich gerade aufhalte. Natürlich kann ich als Geschäftsführer auch mal verschwinden, ohne jemandem direkt Rechenschaft zu schulden, aber indirekt kommt alles auf mich zurück. So kann ich nicht spontan entscheiden, dass ich heute vielleicht mal keine Aufträge bearbeite, sondern das Einkommen zurückstelle und mich einem Projekt aus Spaß widme. Ich kenne Agenturen, da wird das gemacht, aber dann müssen auch alle mitziehen und am Ende kommt dann doch wieder etwas Verwertbares heraus.

Den Fokus behalten

So flexibel ich bei der Gestaltung meiner Arbeit bin, so eingeschränkt bin ich bei der Auswahl neuer Projekte. Als Selbstständiger kann ich halt nur die Aufträge bearbeiten, die in meinen Kompetenzbereich fallen. So lehne ich mittlerweile Aufträge für typo3 und andere CMS ab, weil WordPress und Magento meine volle Konzentration erfordern. Immerhin entwickeln sich diese beiden Content Management Systeme schnell. Auf der anderen Seite kann ich mir in diesem Bereich auch schneller einen Namen machen, weil die Nische schneller wächst als die Zahl der qualifizierten Anbieter.

Agentur als Vermittler

Was für mich als selbstständiger Programmierer nun vorerst überhaupt nicht in Frage kommt, mache ich als Projektleiter der Übersetzungsagentur sprachwertig.de. Ich habe trotz sprachwissenschaftlicher Ausbildung noch keinen Text selbst übersetzt, sondern konzentriere mich allein auf das Projektmanagement, also die Vermittlung zwischen Kunden und Übersetzern. Die Agentur muss ja nicht alle Aufträge die sie annimmt selbst auch intern ausführen.

sprachwertig.de ist quasi noch eine Ein-Mann-Agentur. Ich hoffe, dass ich das in Zukunft ändern kann. Es ist schon komisch, dass ich im Falle der Webentwicklung nicht daran denke, aber es mir bei der Übersetzungsagentur gefällt.

Herausforderung Projektmanager

Wer mit vermittelten Aufträgen Geld verdienen will, braucht  starke Nerven, muss Lust auf Menschen haben und Problem geschickt meistern können. Natürlich sollte das Fachwissen ebenfalls vorhanden sein, wobei ich es als Vorteil sehe, wenn man nicht zu sehr auf einer der beiden Seiten, Kunde oder Übersetzer, verwurzelt ist. Das könnte zu Gewissenskonflikten oder schneller Voreingenommenheit führen. Meine Erfahrung sagt mir, dass beide Seiten Fehler machen. Die Kunst besteht jetzt in der richtigen Verhandlungsführung. Leicht verdientes Geld ist das jedenfalls nicht!

Höhere Honorare

Der Effekt einer Agentur ist zwangsweise der, dass die Preise steigen. Zwar ist ein Angestellter erstmal preiswerter als ein Freelancer, aber dazu muss dessen Arbeitszeit auch effizient genutzt werden. Ausfallzeiten müssen also im Preis ebenso berechnet werden wie die Kosten für den Overhead wie Büro und Marketing. Hinzu kommen Mitarbeiter, die nicht mehr direkt produzieren, wie im Marketing und Vertrieb.

Flexible Strukturen, so lange es geht

Ich bevorzuge in allen Bereichen flexible Strukturen. Daher habe ich bisher keine Angestellten, sondern lagere Aufgaben lieber aus. So kann ich verschiedene Anbieter ausprobieren, auf Schwankungen bei der Auftragslage reagieren und habe weniger Aufwand mit der Abrechnung.

Im Falle meines Projektes www.wort-suchen.de habe ich z.B. bewusst mehr Redakteure engagiert als vielleicht notwendig. Ich kann dadurch alle testen und mich für die Besten entscheiden und verkrafte schneller, wenn mal einer abspringt. Nachteilig ist natürlich, dass ich jeden wieder neu einarbeiten muss und das Wissen nicht halten kann. Mit einer positiven Unternehmensentwicklung wird also die Anstellung von Mitarbeitern und Vergrößerung der Struktur notwendig. Doch auch für diesen Fall habe ich schon Ideen, die ich bei Zeiten hier gerne teilen werde.

Gastartikel aus Kundensicht?

Ich kaufe zu wenig Leistungen ein. Mich würde aber interessieren, ob und wie die Unterschiede zwischen Freelancer und Agentur von Kunden gesehen werden. Vielleicht findet sich ja jemand, der darüber mal einen Gastbeitrag schreiben würde.

Was sind eure Gedanken zur Arbeit als Selbstständiger oder Agentur? Konzentriert ihr euch lieber auf einen Bereich oder steht das Wachstum im Vordergrund? Ich freue mich über eure Kommentare.

3 Gedanken zu „Freelancer bleiben oder Agentur gründen?“

    • Hallo Markus. Danke für deinen Hinweis. Mir fehlte in deinem Text noch der Ausfall durch Krankheit und Urlaub der Mitarbeiter, aber sonst ein guter Einstief um neue Agenturgründer auf das Problem höherer Stundensätze aufmerksam zu machen. Ich habe Bekannte, die „transformieren“ gerade von der Selbstständigkeit zur Agentur ohne eine entsprechende Anpassung und reiben sich ganz schön auf.

  1. Toller Artikel. Ich bin auch an einer Art Schwelle mit meiner SEO-Text-One-Man-Agency ;-). Daher isst es für mich spannend zu lesen, wie andere One-Man-Shows drüber denken.

    Sven von schreiberling.info

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